
Gastbeitrag von Sascha Etzbach
Welche Berufe sind im Zeitalter der künstlichen Intelligenz am anfälligsten und wie können sich Fotografen anpassen, um zu überleben?
Seien wir ehrlich: KI ist nicht nur ein vorübergehender Trend oder eine schrittweise Verbesserung – sie ist eine gewaltige Kraft, die den gesamten kreativen Beruf umgestaltet. Und wenn Sie Ihren Lebensunterhalt mit Fotografie verdienen, sollten Sie ernsthaft darüber nachdenken, wie schnell Ihr Job ersetzt werden könnte.
Wir alle haben schon fotorealistische KI-Bilder gesehen – und die meisten waren bisher eher enttäuschend. Auch die ersten Videos, etwa die aus Tools wie Sora, wirkten oft künstlich und unnatürlich. Die Betonung liegt auf ‚bisher‘.
Trödeln Sie sich nicht zu sehr. Denn die Entwicklungen schreiten rasend schnell voran. Die neuesten KI-Bilder und -Videos sind bereits erstaunlich realistisch und verbessern sich in atemberaubendem Tempo. Es wird nicht mehr lange dauern, bis viele Menschen, die früher einen Fotografen beauftragt hätten, sich einfach per Texteingabe selbst generierte Bilder erstellen – oder zumindest das, was sie glauben zu brauchen.
Sollten sich Fotografen also gerade jetzt nach einem anderen Job umsehen? Ehrlich gesagt hängt es von der jeweiligen Tätigkeit ab. In diesem Artikel stelle ich die zehn Berufe in der Fotografie vor, die am anfälligsten für KI sind, gefolgt von denen mit den höchsten Überlebenschancen. Außerdem gebe ich Tipps, wie Sie Ihre Karriere zukunftssicher gestalten können.
DIE 10 BERUFE IM BEREICH FOTOGRAFIE, DIE AM ANFÄLLIGSTEN FÜR KI SIND
Ich will es nicht beschönigen: Einige Fotografie-Jobs stehen fest im Fokus der KI. Generell gilt: Wenn Ihre Arbeit routinemäßige, sich wiederholende oder generische Bilder umfasst, sollten Sie sich Sorgen machen. Von Unternehmensporträts bis hin zur Produktfotografie werden diese Aufgaben mit rasanter Geschwindigkeit allgemein automatisiert und ist jetzt schon in vollem Gange.
1. Porträtfotos von Unternehmen

Vergessen Sie Studio-Shootings für Unternehmensporträts: KI ersetzt sie bereits. Mit nur wenigen Beispielbildern kann KI professionelle Porträts im bevorzugten Stil eines Unternehmens erstellen – ganz ohne Make-up-Artisten, Lichttechnik oder Retusche.
2. Produktfotografie
KI zeichnet sich in der Produktfotografie durch Präzision und Konsistenz aus. Marken können nun hochwertige, fotorealistische Bilder ihrer Produkte erstellen, ohne jemals ein Studio betreten zu müssen. Von perfekt beleuchtetem Schmuck bis hin zu makellos strukturierten Stoffen – KI kümmert sich um alles. Zudem entfallen logistische Herausforderungen wie Beleuchtung, Requisiten und Nachbearbeitung – was Produktfotografen zu einem idealen Ziel für die Automatisierung macht.
3. Stockfotografie

Selbst die besten Stockfoto-Websites könnten bald von KI überrannt werden. Denn warum sollte man für Standardbilder bezahlen, wenn man in Sekundenschnelle kostenlos maßgeschneiderte Bilder erstellen kann? KI-Plattformen können bereits sehr spezifische, lizenzfreie Fotos erstellen, die auf jedes Briefing zugeschnitten sind. Wenn dies also Ihre Haupteinnahmequelle ist, ist es wahrscheinlich an der Zeit, zu diversifizieren.
4. Architekturfotografie
Warum einen Menschen mit der Fotografie Ihrer Gebäude beauftragen, wenn KI ganze Welten von Grund auf neu erschaffen kann? Immer mehr Architekturbüros setzen auf KI-generierte Renderings, die optisch nicht von echten Fotos zu unterscheiden sind. Diese Visualisierungen sind schneller erstellt, bieten unbegrenzte Flexibilität bei Überarbeitungen und machen kostspielige Außenaufnahmen überflüssig.
5. Großveranstaltungsfotografie

Eventfotografie ist sicher? Ich bin mir da nicht so sicher. Bei Großveranstaltungen wie Konferenzen und Messen steht oft Quantität über künstlerischem Anspruch – perfekt für KI.
KI-gesteuerte Roboter können automatisch Menschenmengen und Schlüsselmomente fotografieren, während KI-generierte Bilder die Lücken füllen.
Außerdem lieben Besucher Gimmicks wie z.B. den Sparky Photography Robot, der mit Besuchern rumalbern und sie fotografieren kann und so den Veranstaltungen einen neuen Reiz verleiht, den Menschen nur schwer erreichen können.
6. Generische Landschaftsfotografie

KI kann heute mühelos atemberaubende, detailreiche Landschaften zaubern. Von ruhigen Sonnenuntergängen über Seen bis hin zu dramatischen Bergketten – Tools ermöglichen bildschöne Szenen, ohne dass man dafür auch nur einen Fuß in die Natur setzen muss. Während menschliche Landschaftsfotografie auf Authentizität setzt, können KI-generierte Alternativen für Kunden, die einfach nur etwas Schönes wünschen, günstiger und schneller sein.
7. Grundlegende Fotobearbeitung
KI-gestützte Bearbeitungssoftware hat grundlegende Retuschefähigkeiten nahezu überflüssig gemacht. Aufgaben wie Hintergrundentfernung, Hautglättung und Farbkorrektur lassen sich mit KI-Tools in Sekundenschnelle erledigen. Selbst fortgeschrittene Prozesse wie Stilübertragung und Objektentfernung sind mittlerweile automatisiert. Mit der Weiterentwicklung der KI-Bearbeitung werden Fotografen, die nur grundlegende Nachbearbeitung anbieten, schnell irrelevant.
8. Mode-Lookbook-Fotografie
KI-generierte Models und Bekleidungsbilder machen viele Aspekte der Modefotografie überflüssig. Marken können nun ganze Kataloge mit makellosen, anpassbaren, virtuellen Models in fotorealistischen Umgebungen erstellen. Da KI endlose Outfitkombinationen und perfekte Beleuchtung auf Abruf bietet, steht menschlichen Fotografen, die generische Lookbook-Bilder produzieren, eine ungewisse Zukunft bevor – und die Nachfrage nach menschlichen Models könnte ebenfalls sinken.
9. Grundlegende Fotorestaurierung

Fotorestaurierung erforderte früher sorgfältige Handarbeit, doch KI erledigt sie heute in Minutenschnelle. Mit Tools wie dem Photo Restoration Neural Filter in Photoshop kann jeder Risse automatisch reparieren, Flecken entfernen und sogar Schwarz-Weiß-Fotos mit bemerkenswerter Präzision kolorieren. Komplexe Restaurierungen profitieren zwar immer noch von menschlicher Expertise, doch grundlegende Korrekturen sind mittlerweile so vereinfacht, dass viele Kunden traditionelle Restauratoren komplett umgehen.
10. Formelhafte Marketingfotografie
Gewöhnliche Marketingbilder – etwa allgemeine Lifestyle-Fotos oder Werbebilder – sind für KI ein leichtes Spiel. Marken können nun maßgeschneiderte, vielfältige und hochspezifische Bilder erstellen, ohne ein physisches Shooting zu planen. Da KI auf Anfrage individuelle Bilder erstellt, werden Fotografen, die sich auf formelhafte Marketinginhalte spezialisiert haben, eine sinkende Nachfrage nach ihren Dienstleistungen erleben.
10 FOTOGRAFIE-JOBS, DIE AM WENIGSTEN ANFÄLLIG FÜR KI SIND
1. Kunstfotografie

Im Grunde geht es bei KI darum, sich wiederholende, mechanische Aufgaben zu automatisieren. In der künstlerischen Fotografie geht es um das genaue Gegenteil: individuelle Vision und kreativen Ausdruck. Kunstfotografen nutzen ihren einzigartigen Stil, ihre Fantasie und ihre emotionale Resonanz, um Werke zu schaffen, die sich zutiefst persönlich anfühlen.
2. Luxusmarkenfotografie
Premiummarken legen seit jeher Wert auf kreative Vision und Authentizität in ihrer Fotografie. Und da ihre Kunden gerade wegen der vermeintlich hohen Qualität überdurchschnittlich viel Geld ausgeben, wird sich das wohl auch nicht ändern. Kostensenkungen durch KI wären äußerst kontraproduktiv und würden solche Marken bei ihren anspruchsvollen Kunden schnell in Verruf bringen.
3. Die meisten Porträtfotografien


Porträtfotos von Unternehmen sind eine Sache, aber persönlichere Formen der Porträtfotografie – darunter z.B. klassische Porträts, künstlerische Porträts, Familienporträts – erfordern weiterhin eine menschliche Note. Menschliche Verbundenheit ist das Herzstück dieser Disziplin, und nur erfahrene Porträtfotografen können das Vertrauen schaffen, das den Porträtierten hilft, sich entspannt und authentisch zu fühlen. Auch Spezialisierung kann hilfreich sein: Lassen Sie sich von diesem Porträt inspirieren.
4. Fotojournalismus
Fotojournalisten fangen Ereignisse nicht nur ein – sie interpretieren sie. Sie entscheiden, worauf sie sich konzentrieren, und gestalten Geschichten mit Empathie und Kontext. Ob bei der Dokumentation von Protesten, Kriegsgebieten oder humanitären Krisen – menschliches Urteilsvermögen und moralische Verantwortung sind unersetzlich. Zudem schätzt das Publikum die Authentizität menschlicher Medien gegenüber künstlich generierten Fake News. Je mehr Letztere die sozialen Medien erobern, desto stärker wird die Öffentlichkeit (hoffentlich) danach verlangen.
5. Hochzeitsfotografie

KI lebt von Vorhersehbarkeit und Routine. Die meisten Hochzeiten sind jedoch alles andere als das. Es sind chaotische, unvorhersehbare und emotional aufgeladene Ereignisse, die ein menschlicher Fotograf perfekt einfangen muss. Flüchtige Blicke, spontanes Lachen und pure Emotionen einzufangen, erfordert Einfühlungsvermögen und Intuition. Und selbst wenn KI das schaffen würde, wünschen sich Paare dennoch einen Menschen, dem sie vertrauen können, um ihren schönsten Tag festzuhalten.
6. Technische Fotografie
Medizinische, wissenschaftliche und forensische Fotografie erfordert technisches Wissen und Fachwissen, das KI derzeit nicht bietet. Von der Erfassung mikroskopischer Details bis zur Dokumentation komplexer Verfahren erfordern diese Bereiche Genauigkeit und Präzision, die nur hochqualifizierte menschliche Fotografen leisten können. Ihre Rolle in Forschung, Lehre und Analyse macht es unwahrscheinlich, dass sie durch KI ersetzt werden können. KI hat nach wie vor ein ernstes Problem mit sogenannten „Halluzinationen“, die sie besonders unzuverlässig machen.
7. Sportfotografie

Sport ist schnell, unvorhersehbar und voller Emotionen – eine weitere Herausforderung, mit der KI zu kämpfen hat. KI kann zwar die Bearbeitung oder Analyse von Spielaufnahmen verbessern, aber sie kann den Instinkt und die Kreativität eines erfahrenen Sportfotografen nicht ersetzen. Und obwohl Robokameras dramatische Fotos schießen können (und dies auch tun), verstehen sie die Geschichte dahinter nicht – und das ist wichtig.
8. Dokumentarfotografie
Dokumentarfotografie lebt per Definition vom authentischen, menschlichen Geschichtenerzählen. Ob sie nun über marginalisierte Gemeinschaften berichten oder das alltägliche Leben dokumentieren.
9. Wildlife- und Naturfotografie

Wildlife-Fotografen tun weit mehr, als nur auf den Auslöser zu drücken. Sie verfolgen ihre Motive, trotzen harten Bedingungen, warten stundenlang – und fangen unvorhersehbare Wunder der Natur ein. Ja, KI-Bilder können solche Aufnahmen inzwischen nachahmen. Aber Betrachter wollen nicht nur ein beeindruckendes Bild sehen – sie wollen die Geschichte dahinter hören. Und nur ein Mensch kann diese auf überzeugende Weise erzählen.
10. Experimentelle und konzeptionelle Fotografie
Inmitten einer Flut austauschbarer Bilder wird die experimentelle und konzeptionelle Fotografie immer mehr hervorstechen – weil sie kreative Grenzen verschiebt. KI kann zwar technisch beeindruckende Bilder erzeugen, aber sie ist nicht in der Lage, die rohe, unvorhersehbare Natur menschlicher Kreativität nachzuahmen. Im Gegensatz dazu werden Fotograf:innen, die mit unkonventionellen Techniken wie Mixed Media, Langzeitbelichtungen oder analoger Manipulation arbeiten, weiterhin ihren ganz eigenen, unverwechselbaren Raum schaffen.
WIE FOTOGRAFEN IM KI-ZEITALTER RELEVANT BLEIBEN KÖNNEN
KI mag zwar die Spielregeln ändern, aber das bedeutet nicht, dass Sie untätig bleiben müssen. Hier sind einige Tipps, wie Sie Ihre Karriere zukunftssicher machen:
1. Setzen Sie auf Kreativität.
KI ist hervorragend für formelhafte, repetitive Aufgaben geeignet, es mangelt ihr aber an Fantasie und emotionaler Tiefe. Konzentrieren Sie sich auf die Entwicklung eines einzigartigen Stils oder einer Nische, die Ihre kreative Stimme unterstreicht – sei es durch experimentelle Techniken, unkonventionelle Kompositionen oder konzeptionelles Storytelling. Je ungewöhnlicher und persönlicher, desto schwieriger ist es, sie zu reproduzieren.
2. Stärken Sie Ihre Beziehungen.
Menschen kaufen von Menschen. Wenn Sie Vertrauen zu Ihren Kunden aufbauen, sind sie deutlich weniger geneigt, Sie gegen einen Algorithmus einzutauschen. Setzen Sie auf exzellenten Kundenservice, echtes Vertrauen und ein personalisiertes Erlebnis, das KI nicht bieten kann.
3. Nutzen Sie KI für Ihre Zwecke.
KI ist nicht nur eine Bedrohung, sondern auch ein Werkzeug, das Sie zu Ihrem Vorteil nutzen können. Automatisierte Bearbeitungs-, Rauschunterdrückungs- und Optimierungstools können Ihren Workflow beschleunigen und die Effizienz steigern – so haben Sie mehr Zeit, sich auf die kreativen Aspekte Ihrer Arbeit zu konzentrieren.
4. Erweitern Sie Ihr Kompetenzspektrum.
Die spezialisiertesten Jobs sind oft die sichersten. Konzentrieren Sie sich daher auf Nischenbereiche, in denen menschliches Fachwissen noch immer unverzichtbar ist – wie etwa Kunstfotografie, Dokumentarfilme oder technische Bereiche. Oder bieten Sie vielleicht hybride Dienstleistungen an, wie fotobasiertes Multimedia-Storytelling oder kreative Leitung.
5. Setzen Sie auf Authentizität.
Da KI-generierte Inhalte den Markt überschwemmen, wird Authentizität immer wichtiger. Kunden und Zuschauer legen zunehmend Wert auf authentische, von Menschenhand geschaffene Fotografie – mit allen ihren Fehlern. Versuchen Sie also nicht, das „perfekte Leben“ zu beschwören, das auf Instagram zum langweiligen Klischee geworden ist. Teilen Sie stattdessen die Geschichten hinter Ihren Fotos, einschließlich all der Dinge, die schiefgelaufen sind. Zeigen Sie die menschliche Arbeit, die in Ihre Bilder fließt, und betonen Sie die emotionale Verbindung, die nur Sie einfangen können.
Fazit:
Der Aufstieg der KI mag unvermeidlich sein – doch kreative, von Menschenhand geschaffene Fotografie wird immer ihren Wert haben. Indem Sie sich auf Originalität, Storytelling und persönliche Bindung konzentrieren, können Sie Ihre Karriere erfolgreich gestalten.