PortrĂ€tfotografie als Transformation – meine persönliche Sicht

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Von: Redaktion "Pulheim-Report"

Unser Gastautor Sascha Etzbach (Foto: Copyright Sascha Etzbach)
Unser Gastautor Sascha Etzbach (Foto: Copyright Sascha Etzbach)

Warum es nicht um perfekte Bilder geht – sondern darum, sich selbst zu sehen

Viele Menschen spĂŒren es, sagen es aber selten laut: Fotografiert zu werden ist ungewohnt. Unangenehm sogar. Man weiß nicht, wie man schauen soll, wie man steht, was mit den HĂ€nden passiert. Viele glauben, sie seien nicht fotogen – was auch immer das eigentlich heißen soll.

Und doch gibt es Situationen, in denen man Bilder von sich braucht: fĂŒr den Job, fĂŒr Social Media, fĂŒr eine neue Website. Oder einfach, weil man das GefĂŒhl hat: Ich möchte mich mal wieder sehen. Richtig sehen.

Manche kommen auch regelmĂ€ĂŸig und sagen fast beilĂ€ufig: „Ich muss mal wieder was ĂŒber mich wissen.“ Und genau dieser Satz berĂŒhrt mich jedes Mal aufs Neue. Denn er zeigt: Hier geht es nicht nur um ein Bild. Es geht um IdentitĂ€t. Um Selbstwahrnehmung. Um Echtheit.

Warum wir uns selbst oft nicht so sehen, wie wir wirklich sind

Vielleicht kennen Sie das auch: Sie sehen ein Bild von sich und denken: So sehe ich doch gar nicht aus. Es fĂŒhlt sich fremd an – und gleichzeitig wissen Sie, dass es stimmt. Und das irritiert.

Diese Irritation kann viele Ursachen haben: das Älterwerden, Falten, verĂ€nderte Figur, weniger Haare, große Nase, abstehende Ohren – oder einfach der Blick auf ein Gesicht, das man selbst mit anderen Augen sieht als der Rest der Welt.

Ich erlebe oft, dass Menschen versuchen, sich auf Bildern so zu zeigen, wie sie glauben, wirken zu mĂŒssen. Glatter, schlanker, jĂŒnger. „GefĂ€lliger“. Sie machen 20, 30, 50 Selfies von sich fĂŒr Social Media, bis endlich eines so aussieht, wie es „sein muss“. Aber hinter dieser Fassade liegt oft Unsicherheit. Und der Wunsch, gesehen zu werden – wirklich gesehen.

Und dann passiert etwas Unerwartetes: Wenn andere sagen „Das bist du – endlich mal!“, dann beginnt etwas in Bewegung zu kommen. Plötzlich wird dieses Bild, das sich zunĂ€chst ungewohnt anfĂŒhlte, zu etwas Wertvollem. Ein Bild, das nichts verstecken will. Sondern zeigt, wer da wirklich ist.

„Manchmal sehen andere uns klarer als wir selbst.“ (Foto: Copyright Sascha Etzbach)

„Manchmal sehen andere uns klarer als wir selbst.“ (Foto: Copyright Sascha Etzbach)

Echtheit ist berĂŒhrender als Perfektion

Ich verstehe nicht, warum so viele Menschen denken, sie mĂŒssten „perfekt“ aussehen, damit ein Bild gut ankommt. Vielleicht, weil die Industrie das ĂŒber Jahre so verkauft hat. Klar, mittlerweile wird AuthentizitĂ€t vermarktet – aber oft nur als neue Verkaufsstrategie.

FĂŒr mich bedeutet authentische PortrĂ€tfotografie etwas anderes: Sie ist nicht inszeniert, sondern ehrlich. Und ja – manchmal ungewohnt. Aber immer echt. Denn ich bin ĂŒberzeugt: Menschen wirken dann am stĂ€rksten, wenn sie sich nicht verstellen. Wenn sie sich zeigen, wie sie wirklich sind. Mit Ausdruck. Mit Geschichte. Mit Seele.

Foto: Copyright Sascha Etzbach
Foto: Copyright Sascha Etzbach

Ein GesprÀch am Lagerfeuer

Ich erinnere mich an eine Situation, die das ganz gut beschreibt. Ich war bei einem Filmdreh und habe dort Behind-the-Scenes-Fotos gemacht. Am Ende des Tages saßen wir am Lagerfeuer, es gab ein Bier, gutes Essen – und ein ruhiges GesprĂ€ch.

Eine Frau aus der Crew erzĂ€hlte mir, dass sie sich noch nie hatte fotografieren lassen, weil sie sich als völlig unfotogen empfand. Ihre Nase, meinte sie, sei immer zu groß gewesen – sogar nach einer OP. Sie hatte das GefĂŒhl, sie wĂŒrde wieder nachwachsen.

Ich erzĂ€hlte ihr von meiner Arbeit. Nicht, um sie zu ĂŒberreden – ich bin kein großer Eigenvermarkter – sondern weil ich gerne darĂŒber spreche, wie ich Fotografie sehe. Was sie mit Menschen macht. Was sie in sich selbst entdecken können.

Ein paar Tage spĂ€ter meldete sie sich. Sie wolle ein Shooting – als Experiment. Um sich selbst zu bestĂ€tigen, was sie lĂ€ngst glaubte: Ich bin nicht fotogen. Ich bin nicht wirklich hĂŒbsch.

Solche SĂ€tze höre ich oft. Und ich lasse sie stehen. Nicht, weil ich sie glaube. Sondern weil ich weiß, was entstehen kann, wenn Menschen sich trauen, diese Sicht auf sich selbst zu hinterfragen.

Am Anfang wollte sie direkt mit Posen loslegen, die sie aus dem Netz kannte. Ich sagte ihr: Wir brauchen keine Posen. Es ist okay, wenn du dich bewegst, wie du dich eben bewegst. Ich schaffe dir den Raum, in dem das geht. Du wirst die Kamera irgendwann vergessen. Und das tat sie. Am Ende des Shootings sagte sie mit leuchtenden Augen: „Wow, ich durfte zwei Stunden mal so sein, wie ich wirklich bin.“

Und spÀter, als sie die fertigen Bilder sah:

Foto: Copyright Sascha Etzbach
Foto: Copyright Sascha Etzbach

„Ich bin ja wirklich hĂŒbsch. Ich sehe wirklich mich. Sascha, du weißt nicht, was du mit diesen Fotos in mir bewirkt hast.“

Ich weiß es vielleicht nicht ganz – aber ich ahne es. Und ich habe es schon öfter erlebt.

Die Bilder in diesem Artikel stammen nicht aus den beiden beschriebenen Geschichten. Sie stehen exemplarisch fĂŒr meine Arbeitsweise – ehrlich, reduziert, authentisch.

PortrÀts ohne Fassade

Ich erinnere mich an ein Shooting in Köln mit einem mĂ€nnlichen Model. Seine bisherigen Bilder auf Social Media wirkten makellos: muskulös, cool, kontrolliert. Immer perfekt ausgeleuchtet, immer im besten Winkel. Ein Mann, der alles im Griff zu haben schien – zumindest auf den Fotos.

Als wir uns trafen, war ich ĂŒberrascht. Er wirkte viel schmaler als erwartet, weniger markant – fast verletzlich. Und trotzdem begann er beim Shooting sofort, wie gewohnt zu posieren. Routiniert, professionell – aber komplett durch eine Fassade hindurch.

Ich stoppte ihn. „Wir machen das heute anders“, sagte ich. „Echt. Ungefiltert. So wie du bist.“

Er war irritiert – nicht ablehnend, sondern eher ratlos. Ich sah, wie sehr er in seiner Rolle als „perfekter Mann“ gefangen war. Aber er ließ sich darauf ein.

SpĂ€ter, als er die fertigen Schwarzweißbilder sah, war er wieder irritiert. Sie zeigten ihn – ruhig, offen, verletzlich. Und sie waren genau das, was er sich eigentlich gewĂŒnscht hatte.

Er postete eines der Bilder. Die Reaktionen waren deutlich: „Endlich zeigst du dich mal, wie du wirklich bist.“ Wenig spĂ€ter kam das nĂ€chste Bild. Und bald danach wollte er wieder mit mir fotografieren.

Was war passiert? Er hatte sich selbst gesehen. Nicht den Körper. Nicht die Pose. Sondern sich.

Foto: Copyright Sascha Etzbach
Foto: Copyright Sascha Etzbach
Foto: Copyright Sascha Etzbach
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